„Wir können nicht einfach den Stecker ziehen“: Bayerische Ernährungshandwerke in existenzbedrohender Lage

Landesverbände der bayerischen Fleischer, Bäcker, Müller, Konditoren und Brauer fürchten flächendeckende Betriebsschließungen aufgrund nicht mehr zahlbarer Energiepreise ++ Vier Forderungen an die Bundesregierung

Die Landesverbände der bayerischen Fleischer, Bäcker, Müller, Konditoren und Brauer appellieren an die Bundesregierung, schnellstmöglich Maßnahmen zu entwickeln, um den weiteren Anstieg der Energiekosten zu stoppen und auf ein bezahlbares Niveau zu bringen. „Die Entwicklungen an den Energiemärkten in den vergangenen Wochen haben ein existenzbedrohendes Ausmaß erreicht. Wenn sich allein die Kosten für Strom vervielfachen, dann stemmen die Betriebe das schlicht und ergreifend nicht“, sagt Lars Bubnick, Geschäftsführer des Landesinnungsverbandes für das bayerische Fleischerhandwerk, stellvertretend für die fünf Verbände. „Ergreift die Politik hier nicht schnellstmöglich Gegenmaßnahmen, werden Betriebsschließungen die unweigerliche Folge sein.“

Die Bayerischen Ernährungshandwerke – der Verband Private Brauereien Bayern, der Landes-Innungsverband für das bayerische Bäckerhandwerk, der Fleischerverband Bayern, die Konditoren-Innung Bayern sowie der Bayerische Müllerbund – erheben folgende Forderungen an die Bundesregierung:

  • Die Regierung soll die Ursachen für die Energiepreissteigerung bekämpfen, indem sie den Gaspreis von den übrigen Energieerzeugungsformen abkoppelt und ein Strommarktpreisdesign schafft, in dem die günstigen Gestehungskosten der erneuerbaren Energien kostenreduzierend wirken können.
  • Weiterhin sind die in Bereitschaft stehenden bzw. die vor der Abschaltung stehenden Kraftwerke zu nutzen, um das Angebot zu erhöhen und damit den Strompreis deutlich zu senken.
  • Bei der Bekämpfung der Symptome der explodierenden Energiepreise in Form von Ausgleichsmaßnahmen sollen Programme entwickelt werden, die von kleinen und mittelständischen Betrieben auch tatsächlich in Anspruch genommen werden können.
  • Jetzt gilt es nicht nur Energie einzusparen, sondern auch jede Kilowattstunde des heimischen Potentials zu heben, um die teure Verstromung von importierten fossilen Energien, wie zum Beispiel Gas, soweit wie möglich zu reduzieren.

„Viele Betriebe haben Existenzangst“, weiß Dr. Josef Rampl, Geschäftsführer des Bayerischen Müllerbundes, von seinen Mitgliedern. Die bayerischen Mühlen verarbeiten jedes Jahr rund 1,3 Millionen Tonnen heimisches Getreide zu Lebensmitteln und sind ein maßgeblicher Faktor für die Versorgungssicherheit von Grundnahrungsmitteln in Bayern. „Wir können deshalb nur eindringlich an die Bundesregierung appellieren, Lösungen zu finden, um die Existenz dieser mittelständischen Betriebe zu sichern. Während die Regierung mit Hilfsprogrammen die Symptome bekämpft, sollte sie auch dringend an die Ursachen rangehen und Gas aus der Bepreisung von Strom abkoppeln, Stichwort Merit Order-Effekt“, bekräftigt Rampl.

Nicht nur die Müller, auch die Bäcker mit ihren energieintensiven Betrieben sind von den Energiepreissteigerungen betroffen. Stephan Kopp, Geschäftsführer des Landesinnungsverbandes für das Bayerische Bäckerhandwerk, fordert: „Die Bundesregierung muss dringend regulierend auf die Energiepreise wirken. Die aktuelle Situation an den Strommärkten ist existenzgefährdend und sie bedroht den sozialen Frieden.“

Dem kann sich die Geschäftsleiterin der Konditoren-Innung Bayern, Daniela Sauer, nur anschließen. Viele Konditoreien stehen ebenfalls vor großen Herausforderungen und sehen ihre Existenz bedroht. „Wir wissen es zu schätzen, dass Förderprogramme mit Ausgleichsmaßnahmen auch für kleine und mittlere Unternehmen geschaffen werden sollen“, sagt Sauer. „Aber sie müssen so gestaltet sein, dass Handwerksbetriebe auch tatsächlich dafür qualifizieren, die Fördermittel zu erhalten, und das Antragsverfahren sollte einfach und zeitsparend sein, so dass die Antragsstellung von den kleinen Betrieben auch zu bewältigen ist.“

 Viele Preistreiber gefährden Existenz 

Stefan Stang, Geschäftsführer des Verbandes Private Brauereien Bayern e.V., weist darauf hin, dass seine Branche immer noch mit den Folgen der Corona-Pandemie zu kämpfen habe, in der Lock-downs zu hohen Umsatzeinbußen geführt hätten. „Neben den hohen Energiekosten hat die mittelständische Brauwirtschaft das dringliche Problem, dass nahezu keine Kohlensäure für das Abfüllen von Bier und anderen Getränken zur Verfügung steht. Es gibt bereits mehrere Betriebe, die aufgrund dieser Tatsache nicht mehr produzieren können“, berichtet er. „In der aktuellen Diskussion sprechen wir lediglich über eine einzige Kostenposition, die Energiekosten, neben der auch viele andere Kosten explosionsartig steigen. Das ist ein Teufelskreislauf, denn diese massiven Kostensteigerungen lassen sich nicht 1:1 auf die Verkaufspreise umlegen.“

„Man weiß nicht, wie man es stemmen soll“

Zwei Beispiele zeigen, vor welchen Herausforderungen die Betriebe stehen. Markus Schuster, Inhaber der Schuster Mühle in Großaitingen im Landkreis Augsburg, fragt sich derzeit, wann er den Stromliefervertrag für das kommende Jahr abschließen soll. Eigentlich wäre jetzt die Zeit, aber Schuster zögert, einen Vertrag abzuschließen, bei dem er fast das Dreieinhalbfache der Stromkosten zahlen müsste. In konkreten Zahlen: In diesem Jahr zahlt er 140.000 Euro für Strom inklusive Nebenkosten und zuzüglich Mehrwertsteuer. Für das kommende Jahr lautet das  Angebot seines Energieversorgers 450.000 Euro. „Man weiß nicht, wie man es stemmen soll“, sagt der Müllermeister, der die Mühle, die seit 1931 im Familienbetrieb ist, 2005 von seinem Vater übernahm. Neben den explodierenden Energiepreisen macht ihm auch der durch den Krieg in der Ukraine stark gestiegene Getreidepreis zu schaffen. Die Schuster Mühle hat einen durchschnittlichen Strombedarf von 670.000 Kilowattstunden im Jahr. 2016 hat Schuster eine neue Mühle angeschafft, die pro Tonne Mehl 20 bis 30 Prozent weniger Strom benötigt als die alte. Größere Einsparungen sind deshalb kaum mehr möglich.

 Mit ihrem Stromverbrauch liegt die Schuster Mühle unter dem Durchschnitt aller bayerischen Mühlen, die häufig alteingesessene Familienbetriebe sind. Die größeren Mühlen sind also noch von deutlich höheren Energiekostensteigerungen betroffen.

 Metzgerei Max: 233.000 Euro Mehrkosten für Strom im Jahr

Welche Auswirkungen die Energiepreisexplosion hat, zeigt auch das Beispiel der Metzgerei Max im oberfränkischen Hof. 2021 hat Thomas Köhn, Inhaber der Metzgerei Max in Hof, Stromkosten von 87.950 Euro.

Wenn er den Angebotspreis aus dieser Woche für 2023 ansetzt, wären es Stromkosten von 321.034 Euro, das heißt, Mehrkosten von rund 233.000 Euro im kommenden Jahr. „Wir haben ja auch noch mit anderen Preissteigerungen, zum Beispiel bei Gläsern und Dosen, zu kämpfen und die Personalkosten steigen auch“, ergänzt der Firmenchef.

Im August hat er noch die Löhne erhöht, da seine 70 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch unter der Inflation zu leiden haben. Viele Möglichkeiten, den Energiebedarf zu reduzieren, hat Köhn nicht. „Wir haben kühlpflichtige Produkte und können nicht einfach den Stecker für die Kühlhäuser ziehen.“